Der Baum der Erweckung


Arnd Kischkel, 4.9.02

Ich hatte den Eindruck von einem reich verzweigten Baum. Seine Blätter waren
entfaltet und er war ein beliebter Platz für viele Vögel geworden, die teilweise
Nester in seiner Krone gebaut hatten. Auch unter dem Baum befand sich ein
schöner Platz, wo viele Menschen rasteten. Dort bot sich ein kühler Schatten in
der Mittagssonne und man hatte von dort aus einen weiten Ausblick bis zu den
Bergen des Horizontes.

Wenn man unter diesem Baum saß, konnte man die starken Äste erkennen, die
sich an ihm verzweigten. Diese Äste erschienen wie Arme, die sich schützend
über alle ausbreiteten, die unter ihnen ausruhten und neue Kraft schöpften.
Plötzlich bemerkte ich, daß dieser Baum für die Entfaltung einer Berufung stand
- nämlich für die der Kirche in Deutschland.

Ich sah Äste, die mir schon bekannt erschienen. Ich erkannte den Ast der
Reformation, der in diesem Land das Wort Gottes erneut zu Ehren brachte. Von
ihm zweigte ein Ast erweckter Frömmigkeit ab, der für den Pietismus stand und
geradlinig emporwuchs, so daß mitten in der Baumkrone Neues aus ihm
hervorsprießen konnte. Daneben gab es weitere Zweige, die mehr in die Breite
gingen, sie wirkten weniger fruchtbar, einige waren verdorrt. Sie schienen
humanistische Einflüsse in der Kirche zu symbolisieren.

Neben dem Pietismus war ein zweiter Ast emporgeschossen, den der Aufbruch
der charismatischen Erneuerung in Deutschland hervorgebracht hatte. Und nun
konnte man sehen, wie diese beiden kraftvollen Zweige des Pietismus und der
charismatischen Bewegung Seite an Seite gewachsen waren und standen, der
eine etwas älter und der andere jünger.

Diese beiden Äste waren am meisten begrünt und sie trugen reiche Frucht. Es
war schön, sie so nebeneinander zu sehen. Man konnte sich darüber freuen und
man konnte denken: Diese beiden Zweige schöpfen aus der Quelle, die diesem
Baum gegeben ist und sie bringen das hervor, was in ihm angelegt ist.

Verwunderlich war es allerdings, daß beide Zweige sorgfältig Abstand zu halten
schienen, als wenn sie darauf bedacht gewesen wären, sich so wenig wie
möglich zu berühren. Ein wenig wirkten sie in dieser Position, als wenn sie
sagen wollten:" Wer ist der Schönste im ganzen Land?"

Dann bemerkte ich, wie plötzlich ein Wind aufkam. Der evangelikale und der
charismatische Zweig kamen immer stärker und schließlich dauernd in
Berührung. Und mit der Zeit schienen sie daran regelrecht Freude zu finden.
Die Blätter berührten sich und die Früchte fanden zueinander und es wirkte wie
eine richtige Herzlichkeit.

Mit der Zeit wurde der Wind zu einem Sturm. Die schwachen, teilweise
vertrockneten Zweige knarrten und brachen schließlich vom Baum ab. Die
beiden Zweige in der Mitte zeigten sich elastisch und wiegten sich in dem
neuen Wind über Deutschland.

Und schließlich konnte ich erkennen, wie sie in feinen Verästelungen immer
mehr zusammenwuchsen, so daß sie am Ende nicht mehr auseinanderzuhalten
waren. Sie bestimmten mittlerweile das Erscheinungsbild der ganzen deutschen
Kirche und es war eine Freude, diesen Baum der Erweckung vor Augen zu
haben.

Und dann kamen Engel herzu, die mit den Gläubigen um diesen Baum herum
im Lobpreis tanzten und mir fiel ein Wort aus dem 1. Korintherbrief ein: " Es
sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Es sind verschiedene Ämter;
aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der
da wirkt alles in allen." (V. 4-6)