Ein Sturm über Europa


Arnd Kischkel, 23.1.02

Vor meinem Auge sehe ich die europäischen Nationen. Dabei sehe ich Felder, die reif zur Ernte geworden sind. Eine Reihe von ihnen liegen eher abseitig und unscheinbar und schmiegen sich zwischen Täler und Hügel in Frankreich, Deutschland und seinen östlichen Nachbarn. Diese Länder wirken wie eine Achse, die Europa durchzieht, und für seinen Zusammenhalt sorgt.

Nun sehe ich aber auch bewaldete Flächen, die liegen ganz zentral, überall dort, wo die Metropolen und wirtschaftlichen Zentren dieser Nationen zu finden sind. Die Bäume, die darauf stehen, wirken überlang und teilweise morsch und hohl. Als wenn sie darauf warten, daß jemand sie schlägt, so krank sehen sie aus.

Und dann entdecke ich, obwohl ich ja Mitteleuropa vor mir sehe, einen Regenwald, der an den unterschiedlichsten Stellen emporwächst - vielfältig, kraftvoll, in wunderschönen Farben.

Und als letztes gibt es dazwischen noch Orte, an denen überhaupt nichts Rechtes zu gedeihen scheint.

Bei all dem, was da wächst, sind Menschen beteiligt. Im Erntefeld stehen vor allem junge Menschen, die scheinen ganz offen für das Evangelium zu sein. Ich merke, wie wichtig es ist, jetzt für sie zu beten. Und auch für die einzutreten, die diese Ernte einholen sollen. Denn etwas im Abseits sehe ich Leiter, die mit Stolz erfüllt sind, und eher eine Anhängerschaft suchen, als daß sie Jünger Jesu freisetzen wollen.

Bei den langen, morschen Bäumen stehen erstaunlich viele Menschen. Sie scharen sich um die Zentren des Kapitals, um die Häuser, die ihnen Sicherheit versprechen, aber auch um religiöse Kultstätten und Orte billigen Vergnügens. Und immer stärker scheint der Sog zu werden, der von dort ausgeht.

Im Regenwald schließlich stehen die Kinder des Herrn, die im Gebet aufgestanden sind, und die sich nach der Kraft des Heiligen Geistes gesehnt haben. Und diese staunen über all das, was da aus dem Boden hervorsprießt. Der Regen fällt auf den Boden und schon kommt neues Leben aus ihm hervor.

Das Gebiet, wo kaum noch etwas wächst, ist allerdings auch dicht besiedelt. Die Bevölkerung dort scheint vor allem jegliches Zutrauen und jede Hoffnung verloren zu haben, die Leute wirken irgendwie rückwärtsgewandt. Sie scheinen immer nur auf de zurückliegenden Erfolg zu schauen. Und Freude ist unter ihnen kaum zu erkennen.

Mit einem Mal verwandelt sich die Szenerie. Ein mächtiger Sturm bricht über Europa herein. Niemand hat ihn in diesem Ausmaß erwartet. In dieser Stärke kennt man ihn eher aus anderen Regionen der Erde. Aber er breitet sich aus wie ein Wirbelwind und erfaßt Europa von Norden nach Süden und von Westen nach Osten.

Das Erntefeld wiegt sich im Sturm und die Schnitter kommen und holen die Ernte ein, dies scheint bei diesem Wind sogar schneller und leichter zu gehen. Das Wort Gottes verbreitet sich im Lauffeuer unter jungen Menschen, aber auch ältere lassen sich leichter einladen wie früher. Allerdings treten zu gleicher Zeit Führer auf, die Menschen in Abhängigkeit und Unterdrückung bringen wollen. Hier wird der Geist der Unterscheidung von besonderer Bedeutung sein, und die entscheidende Frage wird sein, wo das ganze Evangelium verkündigt und der gekreuzigte und auferstandene Herr geehrt wird.

Die morschen Bäume ächzen und wanken. Immer mehr von ihnen stürzen ein und die Menschen um sie her packt helles Entsetzen. Es scheint nichts mehr zu geben, was sie hätte halten können. Der Sturm wütet ganz besonders unter diesen hohen "Masten" menschlicher Selbstherrlichkeit. Und mit ihnen bricht der Glaube an das menschlich Machbare zusammen, ebenso wie sich die Geringschätzung Schwächerer auflöst. Mit der Zeit stehen diese abgebrochenen Pfeiler bizarr in der Landschaft und einigen gehen die Augen auf, wie sehr sie in einem kranken System Halt gesucht haben.

Die Regenwald erscheint sturmerprobt. In ihm pulsiert das neue Leben, das Gott in seiner Kirche in Europa hervorbringt. Und genau so wie der Regenwald für eine gesunde Atmosphäre sorgt, so erkennen viele, daß die ethische Erneuerung des ganzen Kontinents nur von ihm her ihren Ursprung nehmen kann. Und die erweckte Kirche in Europa, die sich freikirchlich neu entfaltet und strukturiert hat, kommt noch einmal zu neuer Ehre als das Haus des Wortes Gottes und seiner Fürsorge für die Menschen.

Der Sturm, der viel von der alten Ideologie des Kontinents zum Einsturz bringt, hält an, er verwandelt sich aber immer mehr in einen Wind, durch den eine neue Geisteshaltung in die europäischen Nationen hineinströmt. Die Freundschaft zwischen Israel und den europäischen Nationen entwickelt sich immer stärker. Die Unterstützung und Offenheit gegenüber den Menschen in den armen Nationen nimmt deutlich zu. Und schließlich werden für viele christliche Werte für das Zusammenleben neu zur Richtschnur.

Das zeigt sich auch in der Gründung von christlichen Sozialeinrichtungen, Schulen aber auch sonstigen Betrieben, in denen der Glaube neu zur Priorität wird. Das Angebot an weltanschaulichen Lehren läßt mit der Zeit nach und die Kirche gewinnt in Europa noch einmal einen Stellenwert, den man mit der Reformationszeit vergleichen könnte.

Die Verheißung, die der Kirche in Mitteleuropa gegeben ist, ähnelt der Zusage, die Jesus einst dem Simon Petrus am See Genezareth gab: "Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!" Luk.5,4

"Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen." Luk.5,6