Lebendiges Wasser

Am Jakobsbrunnen



Die Geburt einer neuen Kirche



Arnd Kischkel, 29.01.05



Als Jesus einmal in Samarien unterwegs ist, macht er Rast an einem Brunnen. Es ist gerade um die Mittagszeit, als eine einheimische Frau aus dem Dorf kommt, um aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen. Als Jesus sie sieht, blickt er in ihr Herz. Er sieht ihre Verstrickung in Schuld und Versagen. Er spürt die ungestillte Sehnsucht, die keine Beziehung auszufüllen vermag. Und er wird erfüllt von Barmherzigkeit zu ihr, bevor sie sich vorstellen kann, dass dieser Fremde sie ansprechen könnte.

Genau so wie Jesus der Samariterin am Brunnen zu einem Neuanfang verhilft, genau so möchte er sich heute um uns als Christen kümmern. Denn es gibt einige Parallelen zwischen dem Schicksal der Samariterin und dem der christlichen Gemeinde bei uns. In weiten Teilen hat sich nämlich die Kirche in Europa immer wieder nach neuem frischen Wasser ausgestreckt, sie ist zum Brunnen des Wortes Gottes gegangen. Aber oft wird dies als Mühe empfunden, und geistliche Durchbrüche gibt es nur vereinzelt.

In ihrem spirituellen Durst haben sich Gemeinden zudem oft in viele Beziehungen gestürzt, die ihnen nicht gut tun. Heilungserfahrungen oder das Erleben von Ganzheitlichkeit werden oft mehr in alternativen Heilverfahren oder Meditationsformen gesucht, als dass sie in der Kraft des Heiligen Geistes erwartet werden. Und so wird die eigentliche Sehnsucht nach einem erfüllten Christsein, das auch von der Kraft Gottes geprägt ist, häufig enttäuscht. Und es bleibt das Gefühl übrig: Ich muss eben selbst wieder zum Brunnen gehen und irgendwie versuchen, geistlich aufzutanken.

Das Wunder des nie versiegenden Wassers

Jesus sagte zur Samariterin: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser“ (Johannes 4,10). Das Erkennen der göttlichen Gabe des Heiligen Geistes hat rund um die Welt zu einem neuen Aufbruch der charismatischen Bewegung geführt. Viele Christen haben Gott als den liebevoll schenkenden Vater entdeckt und sie haben durch die Geistesgaben neue Freude für ihren Dienst im Reich Gottes gewonnen.

Das Wunder des nie versiegenden Wassers, das Jesus bereithält, birgt jedoch Schätze, die zum Teil noch nicht gehoben wurden, die aber noch freigesetzt und entfaltet werden sollen.

Man kann sich diesbezüglich jemanden vorstellen, der sich auf eine weite Reise vorbereitet. Zunächst besorgt er sich alle Utensilien, die er für die Fahrt braucht, auch für bestimmte Eventualitäten sollte gesorgt sein. Und dann überlegt sich der Betreffende, ob er vielleicht noch eine Flasche Wein einstecken soll, um davon gelegentlich zu kosten. Und auch ein Gastgeschenk packt er für den geplanten Besuch ein.

Auch ohne den Wein und das Geschenk würde er auf seiner Reise gut zurechtkommen. Aber dies sind die köstlichen Beigaben für die ganz besonderen Momente der Fahrt. Genau so möchte Jesus der Gemeinde auf ihrer Fahrt begegnen. Er freut sich, wenn sie vom Wein des Heiligen Geistes kostet und wenn sie ihm Geschenke der Dankbarkeit entgegenbringt.

Wir sind erwählt

Wenn wir Geburtstag haben, ist dies für uns in der Regel ein besonderer Ehrentag. Wir bekommen Glückwünsche und viele gratulieren uns. Das Besondere dieses Tages liegt oft darin, dass andere uns ihre Wertschätzung zeigen und sie sich über uns freuen.

Auch wenn wir zu Kindern Gottes werden, werden wir noch einmal von neuem geboren. Im Johannes-Evangelium sagt Jesus: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Johannes 3,3).

Nun kann man sich vorstellen, dass der ganze himmlische Hofstaat sich über unsere geistliche Geburt unermesslich freut und dies ähnlich wie bei unserem Geburtstag immer wieder gebührend feiern möchte. So ist es gut, wenn wir uns in regelmäßigen Abständen an unsere Entscheidung für Jesus erinnern und unsere Hingabe erneuern. Dann werden wir auch immer deutlicher erkennen, welch einen Segen der Herr mit unserer Wiedergeburt verbunden hat: Er hat uns erwählt, mit ihm zu regieren. Er hat uns dazu bestimmt, auf Schlangen und Skorpione zu treten. Und er hat uns beauftragt, den Armen das Evangelium zu verkünden und die Gefangenen zu befreien.

Die Kunst des Wartens

Die Geburtsstunde eines geistlichen Aufbruchs folgt oft einer längeren Phase der Vorbereitung in unserem Leben. Verschiedene Stationen geistlichen Wachstums gehen oft voraus und bereiten den Boden für eine Dynamik, die dann nicht mehr den Gesetzen unserer eigenen Kraft und unseres Planens folgt, sondern die sich für die Dimensionen des Heiligen Geistes öffnet und ihm bedingungslos folgt. Eine aus dem Geist geborene Kirche hat dann in ähnlicher Weise einen Standard erreicht, auf dem es ihr leicht fällt, dem Wirken Gottes Raum zu geben.

Kirchenleitungen, die sich im hörenden Gebet eins machen, Mitarbeiter, die zuerst um die Salbung des Geistes ringen und Gemeinschaften, die sich wirklich für Arme und Verlorene einsetzen, sind eine Frucht geistlichen Wachstums und führen zur Geburt einer erneuerten Kirche. Haben wir den Glauben, dass Gott uns auch in Deutschland und Europa noch einmal eine solche Erweckung schenken möchte?

Wir können heute einen Schritt tun

Stellen Sie sich vor, dass Sie an einem freien Tag, z.B. einem Sonntag, einfach einmal entspannen. Mit ihren Liebsten sind sie ins Grüne gefahren und sie machen es sich auf einer grünen Wiese unter einem Baum gemütlich. Es ist ein milder Frühlingstag und die Vögel singen in den Zweigen.

Man könnte sich fragen, was so ein gediegener Ausflug im trauten Kreise mit dem Reich Gottes zu tun hat. Aber dies ist genau die Erfahrung, die auch an den 23. Psalm erinnert, die die Voraussetzung für eine tiefe erneuerte Spiritualität liefert.

In Anlehnung an den Psalm könnte man sagen: Der Herr führt mich auf eine grüne Wiese, er weidet mich auf ihr, d.h. er sorgt für mich. Dann deckt er mir den Tisch im Angesicht meiner Feinde. Ich lasse mich von ihnen nicht mehr erdrücken, sondern ich nehme Platz bei Jesus und empfange, was ich für ein geisterfülltes und kraftvolles Christsein brauche.

Jesus wird mir dann den Becher voll einschenken, wenn ich ihm einen geleerten Kelch hinhalte. Geleert von all meinen Sorgen und Fragen, meinem Ringen und Versagen. Dann wird er ihn füllen mit dem goldenen Salböl des Heiligen Geistes.

Und er wird auch zu mir sagen: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.“ (Johannes 4,10)