Geistliches Leben

Arnd Kischkel


Die Liebe zu Jesus


Vater, Sohn und Heiliger Geist

Vor kurzem wurde ich einmal gefragt, ob es in der Beziehung zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, also innerhalb der Dreieinigkeit, so etwas wie eine Hierarchie gäbe.

Man könnte sich ja vorstellen, dass der Vater dem Sohn übergeordnet ist, den er geschaffen hat und dass Vater und Sohn über den Heiligen Geist verfügen, der von ihnen autorisiert das tut, was sie wollen.
Immer wieder hat sich Jesus auf den Willen des Vaters berufen, was sich ganz besonders in seinem Ringen im Garten Gethsemane zeigt, wo er sagt: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!

Hier wurde Jesus der allergrößte Gehorsamsschritt abverlangt, nämlich sein Leben hinzugeben als Opfer für die Menschen. Und er tat es auch in Liebe zum Vater, dessen Erlösungsplan für die Welt sich Jesus zu eigen machte. Der Heilige Geist, der Tröster, wurde dann nach der Kreuzigung und Auferstehung zu einer Art Stellvertreter des Herrn auf Erden, der die Gläubigen in alle Wahrheit leiten sollte (Johannes 16,13).
Nachdem ich einige Zeit darüber nachgedacht hatte, merkte ich, dass mich neben der Frage nach einer Hierarchie, die Vorstellung einer liebevollen Verbundenheit zwischen den drei Personen der Dreieinigkeit mehr anzog und mich beschäftigte. Aber war nicht eben der völlige Gehorsam die Grundlage dieser Liebe und der engen Verbundenheit?

Autorität und Gehorsam im Neuen Testament

Das Neue Testament kennt für die Gemeinde im Wesentlichen drei Hauptarten von Autorität und Gehorsam, mit denen wir als Christen umgehen lernen sollen:
Zum einen sollen wir uns staatlichen Obrigkeiten unterordnen und gehorchen (z.B. Römer 13,1; Titus 3,1; 1. Petrus 2,13+17), ferner Autoritäten und Leitern von höherem Rang und schließlich sollen wir in der unmittelbaren Beziehung zu Jesus seinem Willen folgen. Er möchte, dass wir im Glauben mündig werden, und dass wir in unseren Überzeugungen in ihm so gefestigt sind, dass wir ganz unmittelbar mit seiner Herrschaft in uns in Einklang stehen (Hebräer 13).

Jesus kann unser Vorbild sein

Jesus selbst kann uns für diese Haltung ein Vorbild sein. Er lebte 12 Jahre lang als Kind gehorsam im Haushalt seiner Eltern. Er gehorchte jahrelang seinem Vater Joseph als Mitarbeiter in dessen Geschäft. In allem war er gehorsam und lebte ohne Sünde. Als er seine Familie verließ, löste er sich von Zuhause ab wie jeder andere junge Mann, aber Jesus begab sich ohne Unterbrechung unter die Autorität seines himmlischen Vaters. Und er berief Jünger, die wiederum ihm nachfolgten. Drei Jahre lang erfüllte er so seine Berufung in dieser Welt in vollkommenem Gehorsam gegenüber dem Vater im Himmel. Und Jesus hielt dabei auch die Gesetze der Juden und der römischen Besatzungsmacht. Die Frage, die sich uns damit stellt, ist: Wie lernen wir diesen vollkommenen Gehorsam gegenüber Gott und menschlichen Autoritäten? Und wie werden wir gleichzeitig selbstbewusste Christen, die sich von Menschenfurcht freigemacht haben und in ihrem Herzen Jesus wirklich nachfolgen können? Wann ist unsere Liebe zu ihm von Reife und geistlicher Tiefe geprägt?

Die eigenen Grenzen kennen

Bei dieser Frage stelle ich mir einen Zaunpfahl vor, den jemand einschlägt. Er beginnt damit, die Grenze seines Grundstückes zu markieren. Mit der Zeit schlägt er viele Pfähle ein und schließlich umgibt ein vollständiger Zaun das Gebiet, das ihm von Gott anvertraut wurde. Wenn jemand weiß, dass ihm ein bestimmter Bereich wirklich von Gott zugewiesen ist, und er dort Verantwortung übernehmen kann, erfüllt ihn dies mit Selbstbewusstsein und Vertrauen. Das ist vergleichbar mit dem verlorenen Sohn, der vom Vater einen Siegelring empfängt und als Verwalter auf dem Hof eingesetzt wird. Wenn ich dann so wie der Sohn spüre, dass sich jemand über mich freut und mir etwas zutraut, dann fällt es leicht, gehorsam zu sein. Dann brauche ich nicht zu rebellieren und um meine Rechte zu kämpfen. Dann weiß ich, das ich selbst nicht zu kurz komme. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Vater für mich ein Fest gefeiert hat, obwohl ich mich vielleicht nicht würdig gefühlt habe. Von daher brauchen wir die Erfahrung, dass Gott als Vater - vielleicht anders wie unser leiblicher Vater - uns Würde verleiht, dass er strahlt, wenn er uns sieht, dass er uns in den Arm nimmt. Dann wird unser Herz langsam auftauen aus dem Stark-sein-müssen, dem Autonom-sein und dem Sich-nichts-sagen-lassen. Meist ist es ein längerer Prozess, während dem ich dieses Loslassen lerne, aber es ist ein Weg der Befreiung vom eigenen Ich. Dann kann ich mich schließlich leicht unterordnen, ich kann es genießen. Und genauso kann ich selbst Verantwortung übernehmen und selbst Leitungsfunktionen übernehmen.

Samuel lernt, auf Gott zu hören

Als Gott Samuel beruft und beginnt, mit ihm zu reden, reagiert Samuel zunächst sehr unsicher und verblüfft, es heißt: "Und der Herr rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich! und lief zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen. Und er ging hin und legte sich schlafen" (1. Samuel 3, 4+5). Samuel wunderte sich darüber, wer ihn bei seinem Namen rief. Und natürlich dachte er zuerst, dass es Eli war, der für ihn sorgte. Samuel muss ein sehr weiches, folgsames Herz gehabt haben, dass der Herr ihn in ganz jungen Jahren berufen konnte. Dass er dann dem Hause Elis, an dem er selbst diente, das Gericht Gottes ansagte, zeigt, dass Gott ihn gleich in die Autorität des prophetischen Dienstes stellte und dass er innerlich vorbereitet war. Wie bei Samuel so gilt auch für unser Herz: Wenn es ihm leicht fällt zu folgen, dann können wir leicht Vollmacht empfangen.

Ein wunderbarer Lehrer

Früher in der Schule war ich nie so gut im Sport. Manchmal habe ich versucht, mich vor dem Unterricht zu drücken. Ansonsten habe ich oft meinen inneren Widerstand gespürt bei den Anweisungen des Sportlehrers, besonders wenn wir wieder eine ausgefallene Turnübung machen sollten. Später als Christ ist mir dann aufgegangen, dass Gott auf meine Fähigkeiten und Gaben mehr Rücksicht nimmt wie damals mein Sportlehrer. Ich erlebe ihn vielmehr ausgesprochen einfühlsam, dass er meine Möglichkeiten genau kennt und dass er von mir nicht mehr erwartet oder mir aufträgt, als ich gut erfüllen kann. Insofern ist Gott ein wunderbarer, sehr einfühlsamer Lehrer. Mit ihm macht es Spaß zu trainieren und auch schwierigere Fächer anzugehen.

Hingabe an Jesus

Wenn wir uns Jesus nicht von ganzem Herzen hingeben können, dann liegt es immer daran, dass wir ihm nicht in allen Dingen vollständig vertrauen und gehorsam sind. Wie auch sonst in einer Beziehung kann aber diese liebevolle Verbundenheit zwischen mir und Jesus mit der Zeit wachsen. Der Heilige Geist ist unablässig darum bemüht, mir die Liebe des Vaters zu offenbaren. Auch dient er mir dabei, Verunreinigungen meines Herzens aufzudecken und abzulegen. Jeden Schritt, den ich auf Jesus zugehe, wird er genau beobachten und mich dabei unterstützen und ermutigen. Nehmen wir einmal an, es gäbe drei hintereinander liegende Kreise. Der vorderste steht für mein Ich, der hintere für Jesus, der mittlere ist leer. Immer wenn ich nun im Kreis meines Ichs stehen bleibe, spüre ich wenig von Jesus. Wenn ich mich aber überwinde und im Vertrauen einen Schritt von mir weg in den mittleren Kreis tue, dann kommt Jesus mir entgegen, auch er betritt dann die Mitte. Dann bin ich oder diene ich in besonderer Weise in seiner Gegenwart. Im Kreis meines Ichs wirbt Jesus um mich, er sehnt sich danach, mich zu beschenken und mich zu gebrauchen.

Wenn ich mir also mehr von ihm wünsche, dann kommt es auch darauf an, dass ich mich mehr hervorlocken lassen. An diesem Ort des Hervorlockens spricht Jesus dann vielleicht ganz ähnliche Worte wie zur Braut im Hohelied 4, 7-10: "Du bist wunderbar schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir. Komm mit mir, meine Braut, vom Libanon, komm mit mir vom Libanon, steig herab von der Höhe des Amana, von der Höhe des Senir und Hermon, von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Leoparden! Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen, mit einer einzigen Kette an deinem Hals. Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Deine Liebe ist lieblicher als Wein, und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Gewürze."

Es geht nicht mehr um uns

Die Liebe zu Jesus möchte unser ganzes Leben durchdringen und von aller Selbstbezogenheit reinigen. Jeder von uns könnte von diesem Prozess berichten, in dem uns Gott jeden Tag in seine Schule nimmt. Es ist ähnlich wie bei kleinen Kindern. Im Kindergarten hören sie ein einfaches Lied und zu Hause summen und singen sie es dann laufend vor sich hin. So ist es im ganzen Haus zu hören und jeder kennt es und freut sich darüber. Wenn wir wie Kinder das, was uns Jesus aufs Herz legt, nicht mehr loswerden, es immer wiederholen und es unbekümmert auch andern sagen oder vorsingen, dann hat der Heilige Geist in uns Spielraum gewonnen. Dann wird die Freude des Glaubens übersprudeln und auch andere werden von der Liebe zu Jesus angesteckt.